Erschienen im Linux-Magazin 10/1998

Axene

Office auf Französisch

von Patricia Jung
 [ Axene ]


DTP-Programme waren bislang eine rare Spezies unter Linux. Doch jetzt kommt eine französische Firma daher und packt ein Office-Paket der etwas anderen Art: Ein DTP-Programm, eine Tabellenkalkulation, einen Textprozessor und einen HTML-Viewer kann der geneigte User einzeln oder gebündelt erwerben, und als gute Europäerin darf man auch noch unter den europäischen Amtssprachen wählen.

Wer die Website der Firma Axene [1] besucht, wähnt sich zunächst auf der Musterseite der europäischen Gemeinschaft: Die Homepage überläßt einem die Wahl zwischen Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch und einer unvollständigen Nur-Text-Version. Schaut man dagegen auf den reichlich schwerfälligen FTP-Server [2] , holt einen dann doch recht schnell die Realität ein: Die Software steht zwar größtenteils lokalisiert, die Dokumentation jedoch fast ausschließlich auf Französisch zur Verfügung.

Mag es mit der natursprachlichen Übersetzung noch hapern -- kompiliert wurden die Programme für elf verschiedene UNIX-Derivate, teils statisch, teils dynamisch gegen X11 und Motif gelinkt. Tabelle 1 gibt die Linuxpakete an, die für jedes Mitglied der Axene-Office-Familie vorkompiliert zum Download zur Verfügung stehen. Getestet habe ich lediglich die dynamisch gegen X11R6 und statisch gegen Motif 1.2.0 gelinkten Binaries.

Tabelle 1: Verschiedene Linux-Binaries der Axene-Programme
Name des Binaries X11R6 Motif 1.2.0 Motif 2.0.0
*.i486-linux-1.2.tar.gz statisch statisch --
*.i486-linux-2.0-elf.tar.gz dynamisch statisch --
*.i586-linux-2.0-elf.tar.gz dynamisch -- dynamisch

Zur Familie gehören das DTP-Programm Xclamation, die Tabellenkalkulation XQuad, der Textprozessor XAllWrite und der HTML-Viewer XMayday. Bis auf letzteren handelt es sich um kostenpflichtige kommerzielle Produkte, deren Druck- und Speicherfunktionen erst durch einen bei Axene zu bestellenden Schlüssel aktiviert werden. Zum Testen kann man pro Produkt kostenlos je einen einen Monat gültigen, maschinenspezifischen Schlüssel anfordern; vor dem Kauf gilt es, sich zwischen Einzel- oder Mehrplatzlizenzen, Produktbundles oder Einzelerwerb zu entscheiden. Voraussetzung für alle drei Officeanwendungen ist das common-Paket, das Schriften und andere gemeinsam genutzte Ressourcen installiert.

Kostenlos erhältlich vom FTP-Server sind außer XMayday noch das Installationsskript install.sh, das grafische Installationsfrontend xinstall und AxeneOffice, eine minimale X-basierte Schaltzentrale für das gesamte Officepaket (Abbildung 1). Tabelle 2 zeigt alle momentan erhältlichen Komponenten auf einen Blick.

 [ AxeneOffice ]
Abbildung 1: Die Steuerzentrale AxeneOffice

Tabelle 2: Alle Officekomponenten auf einen Blick
Name Version Beschreibung benötigter Plattenplatz Bemerkungen
install.sh -- Installationsskript (bash) 43 kB z.Z. die zu bevorzugende Installationsvariante
xinstall 1.12 X-basiertes Installationsprogramm 1.5 MB noch relativ instabil
common
gemeinsam genutzte Dateien der Officekomponenten 1.7 MB nötig für XAllWrite, Xclamation und XQuad
AxeneOffice 1.20 Office-Starter 981 kB Gimmick für Mausfetischisten
XAllWrite 1.03 beta Textprozessor 1.8 MB noch undokumentiert
Xclamation 1.43 DTP-Programm 2.9 MB beim Download von [2] ausschließlich französische Dokumentation (1.2 MB) erhältlich, englische Dokumentation nur im Web [3]
XQuad 1.43 Tabellenkalkulation 3.6 MB ausschließlich französische Dokumentation (1.5 MB) auf [2]

Bekanntschaft mit Hindernissen

Wenn schon ein grafisches Installationstool zur Verfügung steht, liegt es nahe, zu klotzen und nicht zu kleckern. Hübsch designt läßt xinstall einen zunächst eine europäische Amtssprache auswählen (siehe Titelgrafik) und übersetzt sofort die Buttonbeschriftungen und Dialoge. Auch wenn bei der Übersetzung keine Muttersprachler am Werk waren, ist das doch eine nette Geste. Bei der Auswahl des Quellverzeichnisses mit den zu installierenden Paketen (siehe Abbildung 2) und des Zielverzeichnisses für die Installation irritiert, daß sich die Boxen nicht per Tastatur ausfüllen lassen, sondern der Umweg über einen weiteren Dialog genommen werden muß. Wie dem auch sei: Installieren kann auch Lieschen Müller in nicht Ruth vorbehaltenen Verzeichnissen, und nicht vorhandene Verzeichnisse und Unterverzeichnisse werden auf Nachfrage angelegt.

 [ xinstall ]
Abbildung 2: xinstall in Aktion

Bleibt der Paketauswahldialog, bei dem negativ auffällt, daß das common-Paket selbst dann automatisch zu jeder der vier Officeapplikationen angewählt wird, wenn es schon installiert ist. Will man zu einer deutschen Installation eine französische Dokumentation dazupacken, bleibt einem nichts anderes übrig, als xinstall neu zu starten und diesmal Französisch als Installationssprache zu wählen: nachträgliche Sprachänderungen während der Installationsdialoge sind nicht vorgesehen, und bei der deutschen Installation werden anstelle der nichtvorhandenen deutschen lediglich die rudimentär vorhandenen Pakete mit englischer Dokumentation zur Auswahl angeboten.

Dann frohen Mutes den letzten, entscheidenen Button angeklickt, harren wir der Dinge, die da kommen mögen. Und sie kamen -- anders als erwartet: Laut Statusanzeige fast am Ziel der Wünsche, fing mein Rechner mit 48 MB RAM und 50 MB Swapspace bei der Installation von Xclamation an, wie verrückt zu swappen und änderte dieses Verhalten auch während der nächsten Stunde nicht. Zu allem Überfluß fror der (S3-)X-Server irreversibel ein. Auf einer anderen Maschine mit 32 MB RAM und 15 MB Swap hatte ich mehr Glück: Hier vermerkte xinstall kurz nach Beginn der Swap-Orgie, daß es ihm an Speicher fehle, und ließ den X-Server in Ruhe. Nichtsdestotrotz stellte sich die angefangene Installation selbst später als fehlerfrei heraus. Die Tatsache, daß xinstall im Downloadbereich des Axene-Webservers nicht aufgeführt wird, deutet darauf hin, daß die Probleme nicht ganz unbekannt sind.

Bei XMayday verschluckte sich xinstall zwar nicht, aber der Griff zum alternativen Installationsskript install.sh bot sich letztlich doch an. Man startet es von dem Verzeichnis aus, wo die zu installierenden Pakete liegen, und install bittet, aus allen darin vorhandenen tar.gz-Archiven die gewünschten auszuwählen (siehe Abbildung 3).


Please select packages to be installed (ex: 1 2)
  1. axeneoffice-v120.i486-linux-2.0-elf.tar.gz
  2. common.tar.gz
  3. doc.xallwrite-v10x.english.tar.gz
  4. doc.xclamation-v14x.french.tar.gz
  5. doc.xmayday-v12x.english.tar.gz
  6. doc.xquad-v14x.french.tar.gz
  7. xallwrite-v103beta.i486-linux-2.0-elf.tar.gz
  8. xclamation-v143.i486-linux-2.0-elf.tar.gz
  9. xmayday-v123.i486-linux-2.0-elf.tar.gz
  10. xquad-v143.i486-linux-2.0-elf.tar.gz
Your choice: 2 4 8
Abbildung 3: install in Aktion

Wählbar ist auch hier das Zielverzeichnis der Installation (sinnvoll ist etwa /opt/Axene für eine systemweite oder ~/Axene für eine private Installation), nicht aber, welche Sprache gewünscht wird. Wer nicht mit Englisch vorliebnehmen will, muß später von Hand Anpassungen vornehmen.

Alles in allem verbrauchen die installierten Pakete 16 MByte inklusive vorhandener Dokumentation -- nicht gerade die Welt, wenn einem StarOffice beinahe das siebenfache an Plattenplatz raubt. Nun müssen die Progrämmchen nur noch zeigen, was in ihnen steckt.

Wir erziehen uns ein Office-Paket...

Nach der Installation findet man im Zielverzeichnis (im folgenden als $ZHOME bezeichnet) pro installiertem Programm je ein gleichnamiges, nahezu identisches Shellskript, das im wesentlichen ein paar Umgebungsvariablen setzt und dann das entsprechende Binary aus dem Unterverzeichnis $ZHOME/bin aufruft.

Eigentlich könnte man das in zehn Zeilen erledigen. Doch die Axene-Entwickler meinen, daß $ZHOME/bin verschiedene Binaries einer Officeanwendung enthalten könnte, zwischen denen Benutzer wählen sollen. Besitzern einer Mehrplatzlizenz soll es ermöglicht werden, auf ein Axene-Programm in einem NFS-gemounteten Verzeichnis eines anderen Hosts zuzugreifen. Soll der Benutzerin der Maschine A erlaubt werden, sowohl ihr lokales XQuad als auch das von Maschine B zu benutzen, erzeugt man im $ZHOME/bin-Verzeichnis von A einen Link namens XQuad.B auf das XQuad-Binary im NFS-Volume von B und trägt B in die lokale Datei $ZHOME/lib/locale/axene.hosts ein. Dann kann sie beim nächsten XQuad-Aufruf ihr bevorzugtes Binary auswählen.

In der Praxis wird das kaum jemand brauchen, und so werden sich tcsh-Verfechter freuen, daß sie Axene-Programme auch ohne bash starten können. Listing 1 zeigt beispielhaft ein auf das Nötige reduziertes Start-Up-Skript für Xclamation aus einer tcsh heraus.

Listing 1: Vereinfachtes Start-Up-Skripts $ZHOME/Xclamation

#!/bin/sh 
# 
# vereinfachtes Xclamation-Start-Up-Skript 
# mit tcsh als Standardshell

# Setzen von Umgebungsvariablen
setenv ZHOME /opt/Axene
setenv AXENE_LIB $ZHOME/lib
setenv XCLAMATION_LIB $ZHOME/lib
setenv XAPPLRESDIR $ZHOME/app-defaults

# Binary starten 
if ( -x  $ZHOME/bin/Xclamation.i486-linux-2.0-elf )  then
	exec $ZHOME/bin/Xclamation.i486-linux-2.0-elf $argv
else
	echo  "\n$ZHOME/bin/Xclamation.i486-linux-2.0-elf not found\n"
endif

Es behebt gleichzeitig einen Fehler, der in den Start-Up-Skripten aller mit install installierten Axene-Programme auftritt: Dort ist die Variable $ZHOME grundsätzlich auf das aktuelle Verzeichnis . gesetzt, und da kaum jemand immer erst nach $ZHOME wechseln wird, um eine Office-Komponente aufzurufen, tut man gut daran, statt . jeweils den absoluten Pfad des Axene-Zielverzeichnisses anzugeben (hier: /opt/Axene).

Das ist jedoch noch nicht alles, was an Kosmetik vor dem Start zu betreiben ist. Während xinstall von sich aus die bei der Installation gewählte Sprache als Sprache der Programmenüs einstellt, muß man install ein wenig hinterherräumen, will man nicht auf US-Englisch angesprochen werden. Axene kompiliert die Menübezeichnungen geschickterweise nicht in die Binaries ein, sondern liest stattdessen beim Programmstart eine Datei $ZHOME/lib/<programm>rc, in der diese Lokalisierungen, vorhandene Fonts u.a. vordefiniert sind. Im Verzeichnis $ZHOME/lib/locale findet sich eine Auswahl an lokalisierten Beispiel-rc-Dateien. Will man sich nun mit XQuad auf Spanisch, mit Xclamation auf Deutsch und mit XAllWrite gepflegt britisch unterhalten, kopiert oder linkt man

$ZHOME/lib/<programm>rc selbst ist zu editieren, will man z.B. die voreingestellte, aber nicht vorhandene englische Hilfe gegen die französische austauschen. Dazu ersetzt man im Abschnitt \HELP_CONFIG den Eintrag \BASE_LOCATION mit dem Verzeichnis, in dem die französische Dokumentation zu finden ist:

\HELP_CONFIG{
        #\BASE_LOCATION{$XCLAMATION_LIB/doc/Xclamation/English}
        \BASE_LOCATION{$XCLAMATION_LIB/doc/Xclamation/French}
        \HELP_COMMAND{ \COMMAND{XMayday} \XMAYDAY_PROTOCOL}
        \HELP_COMMAND{ \COMMAND{netscape} \NETSCAPE_PROTOCOL}
        \HELP_COMMAND{ \COMMAND{Mosaic}}
        }

Mit Hilfe der \HELP_COMMAND-Einträge läßt sich der HTML-Viewer einstellen, der die Onlinehilfe präsentieren soll. Per default ist XMayday eingestellt; wird dies nicht gefunden, springt Netscape in die Bresche, und Mosaic stellt den letzten Rettungsanker dar, aber natürlich sind auch andere HTML-Interpreter möglich.

Mayday, Mayday

Nun mag man sich fragen, wenn die Onlinehilfen schon in HTML sind -- wozu dann ein extra Viewer? XMayday (Abbildung 4) erleichtert die Navigation von Büchern und ähnlich komplexen Dokumenten im HTML-Format. Es besteht aus zwei, in der Größe variablen Fenstern: Im oberen öffnet man das Masterdokument (z.B. ein Inhaltverzeichnis, einen Index o.ä.), das man die ganze Zeit über im Blick haben möchte. Das untere Fenster lädt dann jeweils den im Masterdokument angewählten Link.

Stößt man bei derlei Browserei via Hyperlinks, Navigationsbuttons und History auf ein Dokument, das zum neuen Zentraldokument werden soll, reicht View-->Create Index, um den Inhalt des unteren Fensters ins obere zu transferieren.

An seine Grenzen stößt XMayday, wenn Links auf andere Server oder Nicht-HTML-Dokumente (Dazu zählen nicht nur Bildchen u.ä., sondern auch unformatierte ASCII-Textfiles.) verweisen. Das Anwählen solcher Links führte schonmal zu Abstürzen... Was fehlt, um einen runden HTML-Viewer abzugeben, ist auf jeden Fall eine Suchfunktion.

 [ xmayday ]
Abbildung 4: Das Anzeigen der Hilfedateien übernimmt der HTML-Viewer XMayday.

Durchsicht(ig)

Doch schauen wir uns nun die wirklich interessanten (und kostenpflichtigen) Officebestandteile an. Wer sie von der Kommandozeile aus mit dem Flag -h aufruft, erfährt, welche Kommandozeilenoptionen zur Verfügung stehen. Hilfreich für Grafikkarten, die nur 8 Bit Farbtiefe erlauben, kann die Option sein, mit -keepFreeColor <Anzahl> eine gewisse Anzahl Farbpaletteneinträge explizit für andere Anwendungen zu reservieren.

Einmal gestartet, bemerkt man zunächst eine nette Spielerei: Der Cursor ist transparent. Die oberste Zeile im Programmfenster beherbergt die Popupmenüs, die sich auch mit der Tastenkombination ALT-<unterstrichener Buchstabe> anwählen lassen. Darunter befindet sich eine kontextabhängige Iconleiste: Je nachdem, welche Toolbox aus der Iconleiste am linken Rand angewählt wird, stehen darin unterschiedliche Werkzeuge zur Verfügung. So stellt etwa die allen Programmen gemeinsame Zoom-Toolbox eine schrittweise vergrößernde und eine verkleinernde Lupe sowie verschiedene Zoomanweisungen mit festen prozentualen Einstellungen zur Verfügung. (Bearbeiten kann man sein Dokument übrigens in jedweder Zoomeinstellung.) Die zweite universelle Toolbox ermöglicht es, die Schriftarten, -größen und -merkmale bestimmter Bereiche des Arbeitsblatts zu manipulieren.

Links unten existiert zudem noch ein programminterner Papierkorb: Verschiebt man ein Objekt mit der Maus dahin, wandelt sich der Cursor zum Müllauto, und das Objekt verschwindet auf Nimmerwiedersehen in den Tiefen der Mülltonne. Die Funktion einer "Bubble Help" übernimmt eine -- abschaltbare -- Hinweiszeile am unteren Rand.

Einige Funktionen aus der oberen Iconleiste findet man auch in den Toolboxen wieder. Jedoch geht die Redundanz keineswegs soweit, daß das eine oder das andere überflüssig würde. Viele Menüpunkte aus der oberen Iconleiste sind alte Bekannte aus anderen GUI-Programmen, andere kontextabhängig. Ein allgemein vorhandener Punkt der eher unbekannten Art ist z.B. Edit-->Colors, mit dem man die für das Dokument zur Verfügung stehende Farbpalette editieren kann. Leider fehlt allen Programmen eine vernünftige Undo-Funktion. Copy&Paste mit anderen X-Anwendungen funktioniert zumindest da, wo das Programm offiziell dem Betastadium entwachsen ist.

Alle Programme können selbstverständlich mehrere Dateien gleichzeitig bearbeiten. Theoretisch sollte Copy&Paste zwischen ihnen möglich sein -- was momentan leider noch nicht immer funktioniert. Nimmt man die Ausgabeformate unter die Lupe, so stellt man erleichtert fest, daß es sich jeweils zwar um proprietäre, jedoch um Klartextformate handelt.

Gedruckt werden darf natürlich auch -- in Abhängigkeit dessen, welche Druckkommandos in den rc-Dateien in $ZHOME/lib/ als \PRINTER{} definiert sind. Vorkonfiguriert kann man in eine PostScript-Datei und mit lpr auf die Standardqueue drucken. Bemerkenswerterweise unterscheidet sich der XQuad-Druckdialog grundsätzlich von den identischen Dialogen in Xclamation und XAllWrite. Letztere beschränken sich auf Entscheidungen zur Kopienzahl, zum Drucken des ganzen Dokuments oder einiger aufeinanderfolgender Seiten (davon die linken und/oder die rechten Seiten) sowie zum Farb- oder Graustufendruck im Normal- oder Draftmodus (Der Draftmodus in Xclamation druckt z.B. keine Bitmaps mit). XQuad dagegen läßt die Benutzerin über den Menüpunkt File-->Print Setup weitreichend Einfluß auf das Seitenlayout nehmen. Der eigentliche Druckdialog kennt dann nur noch Kopienanzahl, Ausdrucken ausgewählter Bereiche, aufeinanderfolgender Seiten oder des gesamten Dokuments. Extra Draft- oder Colormodi fehlen hier.

In Rechnung gestellt

Wenden wir uns den einzelnen Officeanwendungen zu. Da wäre zunächst XQuad (siehe Abbildung 5) zu nennen, ein weiteres Spreadsheet für Linux. Seine Komplexität geht weit über das hinaus, was sc und xspread bieten, reicht jedoch nicht an die Komplexität von StarCalc heran. Genau aus diesem Grund könnte es Mittel der Wahl für den Alltagsgebrauch einer Durchschnittsanwenderin werden, die damit ihre Telefonliste erstellen, aber keine wissenschaftlichen Berechnungen anstellen will.

 [ XQuad ]
Abbildung 5: XQuad: Ein Spreadsheet für den Hausgebrauch

Doch schauen wir uns das Programm zunächst einmal an. Die Toolboxen am linken Rand und die ihnen zugeordneten Menüs dürften jeder, die schon einmal eine Tabellenkalkulation in den Fingern hatte, selbsterklärend erscheinen:

Standard-Toolbox:
Abspeichern, Drucken, Copy, Cut&Paste, Funktionsauswahl, Auswahl des Darstellungsformats (Prozent, Währung, wissenschaftliche und Ingenieursdarstellung, Hinzufügen und Entfernen von Dezimalstellen). Etwas über hundert Funktionen stehen zur Verfügung -- nicht einmal die Hälfte dessen, was StarCalc bietet. Wer statistische oder finanzmathematische Funktionen benötigt, steht mit XQuad völlig im Regen.
Schriften-Toolbox:
Schriftart, Textfarbe, Schriftausprägung (fett, kursiv, schattiert, durchgestrichen, unterstrichen, Kapitälchen, Versalien)
Text-Toolbox:
Ausrichtung des Textes
Zelldesign-Toolbox:
Linien, Vorder- und Hintergrundfarben individueller Zellen
Diagramm-Toolbox:
Rahmen für Diagramme erzeugen und ausrichten, Diagrammart wählen (Balken, Torte, Radar, Linie), Sichtbarkeit von Legenden und Achsenbezeichnungen festlegen. Zum Erzeugen eines Diagramms wählt man am besten die darzustellenden Daten im Spreadsheet aus, klickt die gewünschte Diagrammart an und füllt das nun aufspringende Kontextmenü nach Wunsch aus.
Lupe:
Schritt- oder sprungweises Hinein- oder Herauszoomen aus dem Arbeitsblatt
Papierkorb:
In den Papierkorb lassen sich nur extra Rahmen (mit Diagrammen o.ä.) verfrachten, keine Zelleninhalte.

Hilfreich ist XQuads Fähigkeit, die Summanden einer Summenfunktion durch Mausklicks festzulegen. Man trägt dazu in die Zelle, in der die Summe berechnet werden soll, die Summenfunktion =sum( ein, klickt auf die Zellen, die addiert werden sollen und fügt am Ende noch die schließende Klammer hinzu.

Neben Importen aus verschiedenen ASCII-Textformaten (Unix, Mac, DOS, verschiedene, auch frei wählbare Spaltentrenner) bietet XQuad zumindest Excel 3 und 4 als Quellformat an. Als Testobjekt Nummer Eins diente eine in Excel 97 erzeugte und als Excel-4-Tabelle abgespeicherte Telefonliste: keine Berechnungen, dafür viel Text, z.T. grau unterlegte Zellenhintergründe. Während StarOffice 4.0 diese Datei sauber importierte, verabschiedete sich XQuad mit einem Segmentation Fault. Versuchte man dasselbe mit der Excel-3-Version dieser Datei, gab es nicht einmal eine Fehlermeldung von sich. Bei Testobjekt Nummer Zwei, einer Excel-3-Tabelle mit ein paar simplen arithmetischen Berechnungen mit Dezimalzahlen und Uhrzeiten, spielte XQuad dann jedoch mit und importierte auch die Formeln. Die Datumsangaben wurden nicht korrekt wiedergegeben, obwohl auch XQuad einen entsprechenden Datentyp beherrscht. Die Uhrzeiten waren zwar weiterhin lesbar, aber da sie nicht als Datentyp Uhrzeit erkannt wurden, funktionierten Berechnungen damit nicht mehr. Farbig unterlegte Zellen erschienen wieder als solche, und die Schriftgrößen wurden auch vernünftig konvertiert. Was die Excelversionsnummern betrifft, kennt XQuad kein Pardon: automatische Formaterkennung existiert keine, sodaß man auch brav "Excel 4" anwählen muß, will man eine Excel-4-Tabelle importieren. Excel-4-Arbeitsmappen werden als falsches Dateiformat abgewiesen.

Beim Export stehen verschiedene Textformate, PostScript und HTML zur Verfügung. Die Wahlmöglichkeiten, die einem beim Exportieren einer Tabelle als ASCII-Text zu Verfügung stehen, verdient Lob. So läßt XQuad nicht nur den Zeilenende-Code oder das Spaltentrennzeichen wählen, sondern ermöglicht auch das Einfügen eines (ASCII-)Gitters oder einer Zellenbeschriftung. Außerdem können Formeln wahlweise berechnet oder als Formeltext in der ASCII-Datei ausgegeben werden. Auch die HTML-Ausgabe ist brauchbar, allerdings hat man hier keinerlei Einfluß auf das Ergebnis. Mit der PostScript-Ausgabe (Menüpunkt Export-->Vektor) konnte Ghostscript 3.33 nichts anfangen...

Sehr ärgerlich ist auch, daß der Austausch mittels Copy, Cut & Paste zwischen zwei gleichzeitig geöffneten Dateien nicht funktioniert. Innerhalb einer Tabelle klappt es zwar über das Edit-Menü, von den geläufigen Shortcuts funktionierten jedoch nur CTRL-X (Cut) und CTRL-V (Paste), nicht jedoch CTRL-C (Copy). Mehr Bug als Feature ist auch, daß ein Zelleninhalt, den man mit Cut ausgeschnitten hat, erst verschwindet, wenn er an anderer Stelle wieder eingefügt wird (aber das macht Excel genauso).

Ohne Schnörkel

XAllWrite (Abbildung 6) macht seinem Status als Betaversion alle Ehre. Gelegentliche, allerdings nie vernünftig reproduzierbare Abstürze (z.B. beim Umsetzen des Tabulators) erinnerten an gewisse Monopolsoftware. Die Synchronisation des Arbeitsblattes nach nachträglichen Änderungen ließ ebenfalls zu wünschen übrig, meistens blieben Artefakte zurück, die auch ein Display-->Redraw all nicht immer beseitigte. Und vermutlich wird auch von späteren Versionen enttäuscht sein, wer hier eine Megatextverarbeitung à la StarWriter erwartet -- XAllWrite ist ein höchst einfacher Textprozessor, sonst nichts.

Wem Texteditoren zu wenig Absatzformatierungen, Farben, Schriftarten und -größen beherrschen, wird seine Einkaufszettel damit schnell runtertippen. Zu mehr ist XAllWrite auch gar nicht geeignet, denn weder Import- noch Exportfunktionen in andere Textformate (nicht einmal ASCII) sind vorhanden.

Das Gefühl, einen leistungsschwachen Editor vor sich zu haben, verstärkt sich, wenn öffnende Klammern und Anführungsstriche offensichtlich nicht zum folgenden Wort gezählt werden und schonmal einsam und allein ihr Dasein am Ende einer Zeile fristen. Zwar trennt XAllWrite automatisch, wenn man am Ende einer Zeile einen Trennstrich einfügt, aber nach Umformatierungen dürfen diese Striche dann wieder fröhlich von Hand aussortiert werden.

 [ XAllWrite ]
Abbildung 6: Nur ein einfacher Textprozessor, sonst nix: XAllWrite

Nun wäre der Funktionsumfang für ein Hilfsprogramm zu Xclamation, um damit Text in Textboxen zu formatieren, fast ausreichend -- in diesem Fall könnte man gut auf Seitenzahlen, Bildimporte und ähnliches verzichten. Doch Xclamation weigert sich bislang standhaft, das XAllWrite-Format überhaupt zu erkennen.

Daß die kontextsensitive Hilfe noch nicht funktioniert, mag man verschmerzen: Die Handvoll Funktionen läßt sich auch intuitiv ergründen. Daß Copy&Paste mit anderen X-Anwendungen dagegen nicht klappt, beeinträchtigt die Tipperei erheblich.

Setzen!

Mag man auf XQuad dank anderer Tabellenkalkulationen und auf XAllWrite aus prinzipiellen Erwägungen verzichten können, stellt sich die Situation bei Xclamation schon anders dar. Zum Briefeschreiben und Setzen wissenschaftlicher Publikationen ist TeX/LaTeX hervorragend geeignet, und dank Lyx/Klyx stehen auch WYSIWYG-Anhänger nicht mehr vor dem Problem, ihre Texte "programmieren" zu müssen. Geht es jedoch darum, Zeitschriften oder Lifestyle-Publikationen zu setzen, stehen Linux-Anhänger/innen im Regen. Diese Lücke könnte das DTP-Programm Xclamation (Abbildung 7) schließen -- ob es das tut, überlasse ich der Einschätzung einer Expertin: Cornelia Karl hat sich Xclamation aus der Sicht einer Herstellerin angeschaut. Der Kasten "Desktop Publishing mit Xclamation" gibt ihren Bericht wieder.

 [ Xclamation ]
Abbildung 7: DTP unter Linux? Xclamation

Desktop Publishing mit Xclamation

Bei meinem Test bin ich davon ausgegangen, ein Prospekt oder ähnliches zu erstellen (und wenn ich mich nicht sehr irre, ist Xclamation auch für solche Anwendungen gedacht) und bin alle Einstellungen durchgegangen, die man meiner Meinung dafür braucht.

Beim Öffnen einer neuen Seite erscheint zunächst -- wie gewohnt ein Fenster, um die Seite mit den üblichen Parametern einzurichten. Danach erscheint die Seite mit Hilfslinien markiert. Allerdings ist keine Standardseite vorgesehen -- für Werksatz, Zeitschriften etc. sehr ungünstig. Auch wenn in der Hilfe eine Dialogbox beschrieben ist, um nachträglich die Seiten-Einstellungen zu korrigieren -- ich habe sie nicht gefunden. Also entweder vorher überlegen oder nochmal machen. 1000 Seiten in eine Datei zu packen funktioniert, damit ist wohl jeder Umfang abgedeckt.

Was immer man anfangen möchte, man braucht dazu einen Rahmen. Dieser ist mit dem Rahmenwerkzeug aufzuziehen. Ein Bild zu laden ist einfach und funktioniert wie gewohnt, drei sinnvolle Auswahlmöglichkeiten stehen zur Plazierung zur Verfügung: Volle Breite, an Rahmen anpassen und Rahmen voll ausfüllen.

Komplizierter wird's, wenn man anfängt, mit Text zu hantieren. Man ziehe in der gewünschten Größe und Position einen Rahmen auf, wechsle ins Textwerkzeug und wähle das Icon Text bearbeiten. Ein Fenster öffnet sich zur Texteingabe, außerdem läßt sich der Schriftschnitt (fett, kursiv, etc) festlegen, sonst aber nichts. Um Text zu formatieren, muß jeweils eine Art Druckformat erstellt werden, was dann auf verschiedene Textrahmen angewendet werden kann. Es sind keine Änderungen möglich, d.h., für jede Abweichung vom bereits erstellten Druckformat muß ein neues kreiert werden. Dieses Verfahren mag praktisch für Periodika und ähnliche Druckerzeugnisse sein, aber schnell mal was korrigieren oder kreativ seinen Ideen nachgehen wird dadurch völlig unnötig erschwert. Magnetische Hilfslinien gewährleisten nach Wunsch genaues Arbeiten. Leisten oder Roll-Ups wie man sie aus QuarkXPress oder Freehand kennt, wären wünschenswert, denn da nur relativ wenig Tastaturkürzel vorgesehen sind, ist flüssiges Arbeiten eher umständlich.

Wie die Handhabung von Flächen, Linien und auch das Einfärben von Dingen gelöst wurde, ist gut anzunehmen und erfordert keine Kritik.

Praktisch ist, daß Elemente festgesetzt werden können, bei Berührung mit dem Cursor erscheint ein Minus-Zeichen. Auch andere nette Kleinigkeiten sind mir aufgefallen, z.B. erscheint beim Zusammenfügen von freidefinierten Formen ein END. Das erspart unnötige Pfriemelei.

Farben lassen sich wie üblich mit Echtzeit-Vorschau in CMYK, RGB, S/W mischen, auch ist die Einstellung von Helligkeit, Sättigung und Temperatur möglich. Der Sinn dieses Ausflugs in die Bildbearbeitung ist mir verborgen geblieben... Verbesserungswürdig ist auch die Scrollerei. Man packt ein Objekt, möchte dieses nach unten schieben, kommt bis zum Fensterrand, läßt los, scrollt am Rand weiter, packt sein Objekt erneut und kommt gerade wieder bis zum Fensterrand. Automatisches Mitwandern der Seite erleichtet gerade beim Layouten das Plazieren von Objekten gewaltig.

Fazit: In Xclamation ist wohl alles enthalten, was nötig ist, um alle gängigen und nicht allzu komplex strukturierten Druckerzeugnisse in mehr oder weniger komfortabler Art zu erstellen. Allerdings dünkt es den Anwender, in die Anfangszeit des DTP zurückversetzt zu sein. Natürlich muß man bedenken, daß die Gewohnheit ihr übriges tut, auch wenn ich mich um Objektivität bemüht habe. Auch mögen mir vielleicht vorhandene und nur gut versteckte Funktionen verborgen geblieben sein, was mit einem richtigen Handbuch hoffentlich nicht passiert wäre. Mit französichen Hilfetexten hatte ich gewisse Verständigungsschwierigkeiten... Der Anwender zuhause oder im semiprofessionellem Bereich findet für Xclamation bestimmt geeignete Anwendungsmöglichkeiten; wer damit Geld verdienen möchte, sollte vielleicht noch ein, zwei Versionsnummern abwarten.

Cornelia Karl

Fazit

Die Axene-Programme weisen allesamt Lücken auf, deretwegen man sich überlegt, ob sie tatsächlich ihr Geld wert sind, zumal der Updatezyklus der Website oder des FTP-Servers nicht gerade auf eine rasante Entwicklung schließen läßt. Letztlich bin ich nach mehr als einem Dutzend unbeantworteter E-Mails, anderthalb Monaten absolutem Schweigen auf den Axene-Mailinglisten axene-announce, xquad-bugs und axene-users, einer französischen Faxnummer, die keine Faxe annahm, und einem Fax an die auf der Website weiterhin angegebene amerikanische Nummer, das ebenfalls unbeantwortet blieb, auch nicht mehr so ganz von der Lebendigkeit der Firma überzeugt...

Abgesehen davon spricht gegen Axene-Office, daß Import- und Exportmöglichkeiten nur rudimentär vorhanden sind, vom fehlenden Undo ganz zu schweigen. Wer seine Texte mit TeX/LaTeX setzt, findet in Xclamation eine Lösung, die für den Hausgebrauch die Bereiche abdeckt, die erstere offenlassen. Für den professionellen Einsatz (z.B. zur Produktion von Zeitschriften wie dem Linux-Magazin) ist es bisher jedoch nicht geeignet.

XQuad stellt vom Funktionsumfang die Ideallösung für Otto Normaluser dar -- solange Datenaustausch über Spreadsheetgrenzen hinweg auf ASCII-Tabellen beschränkt bleibt. Wie [4] beweist, hat XAllWrite durchaus schon eine Fangemeinde gefunden, obwohl Puristinnen lieber einen richtigen Editor und Funktionsfetischisten eine Textverarbeitung verwenden werden. Wär's Freeware, schlösse es tatsächlich eine Lücke. Aber da es erst Beta ist, geben wir ihm noch eine Chance :-)

Infos

[1] http://www.axene.com/
[2] ftp://ftp.axene.com/
[3] http://www.axene.com/english/doc/xclamation/
[4] http://www.dataguard.no/~robot/

Die Autorinnen

Patricia Jung findet seit etwa 2 1/2 Jahren, daß Linux das perfekte Betriebssystem für Mädchen ist (Spätestens seit Linus Version 2.0 weiblich ist, sollte das eigentlich auch der weiblichen Hälfte der Menschheit so langsam klar werden *hoff*...). Im Moment versucht sie, ihre Linux-Begeisterung als Verlagsvolontärin bei Markt&Technik auch an ihrer Arbeitsstelle weiter zu verbreiten. Patricia ist zu erreichen unter trish@freiburg.linux.de.

Für Cornelia Karl war Xclamation die erste Begegnung mit Linux. Sie arbeitet seit vielen Jahren mit Freehand, QuarkXPress, Pagemaker, Framemaker und Photoshop sowohl auf Macintosh- als auch auf Windows-Ebene. Sie ist gelernte Schriftsetzerin und seit Abschluß ihrer Ausbildung zur Drucktechnikerin bei Markt&Technik als Herstellerin tätig. Cornelia ist zu erreichen unter ckarl@mut.de.

Copyright © 1998 Linux-Magazin-Verlag

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